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Regen

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Der Alltag will es so, dass wir einen Weg zurücklegen zwischen den Komponenten, die unser rastloses, immergleiches Handeln bilden. Und so wandeln wir in diesen undefinierten Zwischenmomenten von Ort zu Ort, alleinig zum Zweck der Distanzüberwindung - so auch ich an diesem Nachmittag. Gerade begann ich darüber nachzudenken, was genau eigentlich den einen Abschnitten dieses Alltagslebens Sinn zuweist, oder die anderen als notwendiges Übel deklariert. Da hielt meine Straßenbahn und ich verließ das Abteil, um kurz darauf in strömenden Regen zu treten. In meiner Tasche befand sich ein Schirm, doch mir schien der Zusammenhang zwischen Regen und Schirmen entfallen zu sein. Und so setzte ich meinen Weg unbeirrt fort, fühlte bald, wie das Wasser meine Haare durchnässte und kühl meine Kopfhaut berührte. Am Straßenrand lief ich vorbei an Menschen, die in ihren Autos hartnäckige Ziele verfolgten. Ich beobachtete sie, wie sie telefonierten und verhandelten, zielstrebig ihren Alltagsablauf verfolgten und dabei so unerschütterlich ernst wirkten, als lebten sie um ihr Leben. So trugen mich meine Füße durch tiefe Pfützen, während mir die Haare am Gesicht klebten und der Regen von meinem Kinn tropfte. Und als meine Wimperntusche schwarze Spuren auf meinen Wangen hinterließ und mir das Wasser langsam die Zivilisiertheit vom Gesicht wischte, begann mich ein Gefühl von Erkenntnis und Klarheit zu übermannen. Und beim Anblick der Frau mit dem Schirm, die mir einen mitleidigen Gesichtsausdruck schenkte, musste ich dann plötzlich lachen. Lachte über all die verlogene Scheinbarkeit unserers täglichen Seins, das nicht einmal einem kräftigen Regenguss standzuhalten vermag.
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